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Nachfolge erfolgreich geschafft: Im Youngstarts-Podcast erzählen Anja und Bernd Wieskötter von der Übergabe der Familientischlerei und dem, was sie anderen mit auf den Weg geben können. Foto wfc

Langsam geben, langsam nehmen

Anja und Bernd Wieskötter haben den Familienbetrieb, die Tischlerei Josef Wieskötter GmbH & Co. KG, in Senden übernommen und geben anderen im Youngstarts-Podcast ein Beispiel

Wer das Unternehmens seines Vaters übernimmt und auf die Frage, was man rückblickend anders oder besser hätte machen können, spontan keine Antwort weiß, hat schon mal viel richtig gemacht – und ist ein gutes Beispiel für andere. Rund 3.800 Unternehmen stehen im Münsterland zwischen 2022 und 2026 zur Übergabe an, wenn man die aktuelle Studie des Instituts für Mittelstandsforschung auf die Region herunterbricht – rund 800 mehr als in den vergangenen vier Jahren.

Die Übernahme der Tischlerei durch Anja und Bernd Wieskötter war ein Prozess, der mehr als drei Jahre gedauert hat, und vor neun Jahren mit den ersten Vorbereitungen begonnen hat. Im Nachfolge-Podcast des regionalen Verbundprojekts Gründergeist #Youngstarts Münsterland erzählen sie von ihrem Weg, den Herausforderungen, den Lösungen und ihren Zukunftsplänen.

Beide haben eine Tischler-Ausbildung absolviert. Anja Wieskötter schloss ein Ingenieur-Studium der Holztechnik ab, arbeitete zwei Jahre bei einem Ingenieurbüro und kehrte schließlich erst als Mitarbeiterin, dann als Mitglied der Geschäftsführung in den Betrieb ihres Vaters zurück. Bernd Wieskötter kam direkt nach der Ausbildung in die Tischlerei Wieskötter zurück und arbeitete auch neben der Technikerschule und dem HWK-Betriebswirt weiter bei seinem Vater.

Denn dass sie die Tischlerei ihres Vaters im Sendener Gewerbegebiet Süd übernehmen wollen, stand für die Geschwister nie wirklich in Frage. „Wir waren von klein auf dabei. Wir haben den Start als Ein-Mann-Unternehmen erlebt, dann das Wachstum des Betriebs“, sagt Anja Wieskötter. Selbstständig zu sein bedeute, dass man über sich selbst bestimmen kann und – besonders im Tischler-Handwerk – kreativ arbeiten kann. „Beides ist uns sehr wichtig. Außerdem haben wir durch das Studium beziehungsweise den Techniker und Betriebswirt so viel Input bekommen, dass es uns in den Fingern gejuckt hat, es zu Hause im Betrieb umzusetzen“, erklärt Anja Wieskötter und fügt mit einem Lachen hinzu: „Dass das nicht immer so schnell geht, wie man möchte, war das, was ich im Übergabeprozess gelernt habe.“

Besonders bei einer Nachfolge innerhalb der Familie muss für alle Beteiligten neben den Zahlen auch das Gefühl stimmen. Gelungen ist dies mit Hilfe eines externen Beraters und eines langsamen Übergangs. Über drei Jahre hinweg übergab Vater Josef Wieskötter immer mehr Prozente am Betrieb und immer mehr Verantwortung an seine Kinder. „So konnten wir langsam hineinwachsen und er sich langsam lösen. Das war wichtig und sinnvoll“, erzählt Bernd Wieskötter. „Anja und ich sind eher Zahlen-Daten-Fakten-Menschen. Aber das war es nicht, worauf es unserem Vater ankam. Für ihn war die Firma sein Baby – und diese emotionale Komponente mussten wir erstmal verstehen und damit umzugehen lernen. Wir mussten ihm zeigen, dass wir ihm nichts wegnehmen, sondern es weiterführen wollen. Dabei war der Berater schon sehr wichtig und letztlich der Schlüssel zum Erfolg. Er hat als Mediator alles begleitet und das Ziel nicht aus den Augen verloren.“

Dass nun ein Führungsduo gibt, macht vieles leichter. „Natürlich wird es manchmal spät, und natürlich arbeiten wir oft etwas länger, aber wir machen es ja gerne. Da wir uns gegenseitig vertreten können, können wir auch beruhigt in den Urlaub fahren“, sagt Anja Wieskötter.

Doch ebenso wichtig für eine erfolgreiche Nachfolge sind aus Sicht der Geschwister die Beschäftigten, deren Anzahl sich in der Tischlerei zwischen 2016 und heute auf fast 30 verdoppelt hat. „Da wir mit der Übernahme auch viele Prozesse digitalisiert haben, war die Kommunikation mit den Beschäftigten eine doppelte Herausforderung. Aber wir haben viel mit der Belegschaft gearbeitet, sie größtenteils selbst mit Schulungen und Workshops da hin gebracht wo sie jetzt stehen – und das sind vielfach neue Positionen“, erklärt Bernd Wieskötter. Denn Aufträge werden projektbezogen bearbeitet – das gilt für die beiden Geschäftsführenden ebenso wie für die Beschäftigten. „Bei größeren Projekten oder besonders vollen Auftragsbüchern gibt es vorab eine Teambesprechung mit allen. Das immer sehr zielführend und nimmt alle mit ins Boot“, sagt Anja Wieskötter. „Ein Mitarbeiter ist dann von A bis Z für das Projekt verantwortlich. Alle können alles. Dadurch ist die Arbeit sehr vielseitig und abwechslungsreich, aber auch sehr anspruchsvoll – aber aus unserer Erfahrung, das, was für alle Seiten am besten ist."