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Anja Wittenberg, Redaktion Wirtschaft aktuell

„Es wird ein Umdenken stattfinden“

Die Weichen für die Zukunft stellen – das macht Otto Immobilien aus Steinfurt aktuell im doppelten Sinne. Zum einen ist Immobilienfachwirtin Anna-Lena Krude zum 1. Oktober neben Gründer Werner Otto in die Geschäftsführung eingestiegen und damit die Nachfolge der Immobilienagentur gesichert. Zum anderen beschäftigt sich das Team derzeit mit den Wohnformen der Zukunft. Über ihre Pläne sprechen Anna-Lena Krude und Werner Otto im Interview.

Frau Krude, zum 1. Oktober 2022 sind Sie in die Geschäftsführung bei Otto Immobilien eingestiegen. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Anna-Lena Krude: Ich bin schon seit zehn Jahren für Otto Immobilien tätig. Werner Otto und ich haben uns von Anfang immer mal wieder Gedanken darüber gemacht, wie eine Nachfolgelösung für seine Agentur mit mir aussehen könnte. Dafür habe ich mir zunächst das entsprechende Fachwissen angeeignet. Nach meiner Ausbildung zur Immobilienkauffrau habe ich neben-beruflich meinen Immobilienfachwirt absolviert sowie eine Fortbildung zur Dekra-geprüften Sachverständigen für Immobilienbewertung durchlaufen, sodass ich Immobiliengutachten ausstellen darf. Aber auch der persönliche Austausch mit Werner Otto hat mich gut auf diese Aufgabe vorbereitet: Wir sind in den vergangenen Jahren zu einem sehr guten Team zusammengewachsen und ergänzen uns gut. Mal braucht man „den alten Hasen“ mit seinem Erfahrungsschatz, mal kann ich frischen Wind in die Projekte hineinbringen. Wir haben uns nun einen Zeitraum von etwa fünf Jahren gesetzt, in dem wir die Übergabe nach und nach umsetzen wollen. 
Werner Otto: Mit mittlerweile 70 Jahren musste ich mir eingestehen, dass ich nicht mehr ewig arbeiten möchte und werde. Mir liegt es aber sehr am Herzen, die Agentur und das, was ich mit meinem Team in den vergangenen Jahren gemeinsam aufbauen konnte, in vernünftige Hände weiterzugeben und meine Kunden nicht im Stich zu lassen. Daher haben Anna-Lena und ich schon vor Jahren die Weichen gestellt und sie ist nun gleichgestellte Gesellschafterin und Geschäftsführerin in der neu gegründeten Werner Otto Immobilien oHG. Dadurch gewähren wir Kontinuität und Verlässlichkeit – für unser Team, aber auch für unsere Kunden und Geschäftspartner ändert sich nichts. 

Wie ist Otto Immobilien heute aufgestellt?
Otto: Wir sind seit über 30 Jahren in der Region aktiv und vermitteln aktuell Grundstücke in Burgsteinfurt, Borghorst, Horstmar und Münster. Dank unserer engen Kontakte zu Partnern für schlüsselfertiges Bauen haben wir uns ein starkes Standbein in der Projektentwicklung aufgebaut. Wir erstellen Konzepte für Neubaugebiete und Einzelobjekte vom Einfamilienhaus über Mehrfamilienhäuser bis hin zu ganzen Wohnanlagen. Dabei agieren wir als Partner für Kommunen: Wir übernehmen die Verhandlungen mit den Landwirten über geeignete Flächen, entwickeln die Grundstücke mit den Bauträgern und verkaufen sie für ihn. Gemeinsam mit den Investoren schauen wir, welche Interessenten zu den Grundstücken passen. Dabei können wir auf unsere jahrelange Expertise bauen und auf bereits realisierte Projekte verweisen.
Krude: Potenzielle Bauherren können zum Beispiel vorab durch ein fertiges Baugebiet fahren und sich anschauen, wie die verschiedenen Haus-Varianten, die wir vermitteln, aussehen und wirken. So können sie sich ein erstes Bild machen. Neben der Grundstücks- und Immobiliensuche begleiten wir umgekehrt auch den Verkauf. Angefangen bei der Bewertung des Objektes über die Aufbereitung des Exposees bis hin zur Besichtigung und dem Verkauf. 
Wie stellt sich der Immobilienmarkt im Münsterland derzeit dar?
Krude: Da muss man zwischen dem Immobilienmarkt in der Stadt Münster und dem Markt in den umliegenden, ländlich geprägten Münsterland-Kreisen unterscheiden. In Münster ist der Wohnraum sehr verdichtet und gleichzeitig sehr teuer. Daher sind die Menschen in Münster eher bereit, ein Reihenmittelhaus zu beziehen, das sie finanziell besser stemmen können als ein Einfamilienhaus im Stadtgebiet, wo wir schnell bei einem siebenstelligen Betrag liegen. Dabei ist ein Reihenhaus nicht mit dem vergleichsweise niedrigen Standard zu vergleichen, der früher für diese Bauart galt. Penthousewohnungen oder ein kleiner Garten machen Reihenhäuser heute sehr attraktiv. In den umliegenden ländlichen Kreisen herrscht hingegen immer noch der Wunsch nach einem Einfamilienhaus mit eigenem Garten – das ist dort noch bezahlbar – noch! 

Wie finden Sie die passende Immobilie für Ihre Kunden?
Otto: Wir erstellen zunächst eine Bedarfsanalyse. Das heißt, wir fragen konkret ab, was dem Kunden wichtig ist, in welcher Größenordnung er sucht und vor allem, wie viel Geld er dafür in die Hand nehmen möchte. Auf dieser Basis zeigen wir ihm zwei bis drei Häuser, die diesen Faktoren entsprechen, sodass er sich besser vorstellen kann, wie sein Eigenheim später in der Realität aussieht. Entweder zeigen wir die Objekte persönlich vor Ort, oder aber wir erstellen eine 3D-Visualisierung sowie eine 360-Grad-Ansicht, mit der wir den Kunden virtuell am Bildschirm durch das Haus führen können. Das spart für den Kunden Anfahrtszeit und Aufwand.

Beim Kauf oder Verkauf von Immobilien geht es zwangsläufig auch immer um die Finanzierung. In den vergangenen Jahren war die πInvestition in Steine“ angesichts niedriger Zinsen für viele attraktiv. Wie stellt sich die Situation aktuell dar?
Otto: Wir haben festgestellt, dass die Immobilienpreise seit Jahren immer weiter steigen. Aufgrund des Materialmangels und der hohen Energiekosten ist es zum einen zeitlich schwer, zu planen. Zum anderen hat das die Preise nach oben getrieben. Es ist schade, dass die Bundesregierung den Hausbau aktuell nicht wirklich fördert. Wer allerdings noch bis zum 31. Dezember dieses Jahres einen Kaufvertrag für einen schlüsselfertigen Neubau unterzeichnet, der kann zumindest eine Förderung der Grunderwerbsteuer nutzen. Diese beträgt zwei Prozent der Maximalsumme von 500.000 Euro. Ich mache das mal an einem Beispiel fest: Sie kaufen im Baugebiet Südviertel in Steinfurt-Borghorst ein Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche und Garten. Der Kaufpreis liegt bei etwa 726.000 Euro. Dann würden Sie dank der Förderung etwa 10.000 Euro weniger selbst zahlen müssen.

Das neue Baugebiet in Borghorst ist ein gutes Stichwort. Sie agieren immer wieder als städtebaulicher Partner bei solchen Großprojekten. Was steht da aktuell auf Ihrer Agenda?
Otto: Zurzeit entwickeln wir vier Baugebiete in Münster, Steinfurt-Borghorst, Burgsteinfurt und Horstmar. Das Baugebiet Südviertel am Ring in Borghorst habe ich bereits angesprochen. Dort kann nächstes Jahr mit dem Bau der ersten Häuser begonnen werden. 50 Grundstücke für Ein- und Zweifamilienhäuser entstehen da. In Burgsteinfurt entstehen im Baugebiet „Blocktor“ zwölf, bis zu 1.400 Quadratmeter große Grundstücke in Stadtrandlage. Dort sind exklusivere, außergewöhnlichere Bauformen möglich. Das Areal haben wir bereits gekauft und die Vermarktung läuft an, sodass dort auch im nächsten Jahr gebaut werden kann. In Horstmar haben wir im Herzen der Stadt ein kleineres Baugebiet, die „Alte Molkerei“, mit acht Grundstücken erschlossen. Darüber hinaus haben wir Reihenhäuser, Doppelhäuser und Einfamilienhäuser im Baugebiet Münster-Markweg erstellt.

Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser, Reihenhäuser – Sie haben die verschiedenen Wohnformen, die Sie zurzeit vermarkten, schon angesprochen. Wie werden wir denn in 20 Jahren wohnen?
Krude
: Wir werden in Zukunft noch mehr Reihenhäuser entwickeln, da der Wohnraum einfach knapp und teuer wird. Angesichts der steigenden Immobilienpreise und Zinsen werden sich künftig weniger Menschen ein Eigenheim leisten können, sodass sich auch im ländlichen Raum kompaktere Wohnformen durchsetzen werden. Der Trend geht daher eher zur Eigentumswohnung, weg vom Haus. 
Otto: Das Haus als Statussymbol wird künftig vom persönlichen Finanzrahmen ausgebremst. Daher wird auch mit Blick auf die Ein- und Zweifamilienhäuser ein Umdenken stattfinden – weg von den großen Grundstücken mit 1.000 Quadratmetern Rasen dahinter hin zu zukunftsfähigeren Lösungen, die auch noch im Alter gut bewohnbar sind. Schließlich können Sie sich mit 80 Jahren ohnehin nicht mehr so gut um Ihren Garten kümmern. In einer vollgeschossigen Immobilie sieht das schon ganz anders aus: Im Obergeschoss könnten zum Beispiel die Großeltern oder die Kinder, die in der Nähe zur Uni gehen, sich aber keine eigene „Studentenbude“ leisten können, wohnen. In größeren Städten wie beispielweise in Münster haben sich solche Konzepte schon etabliert. 

Das Interview führte Anja Wittenberg

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