Zu den Börsen

Michael Terhörst, Redaktionsleiter Wirtschaft aktuell

Rollentausch bei Elektro Schmidt

2017 hat Jürgen Schmidt die Elektro Schmidt GmbH aus Telgte an seinen ehemaligen Mitarbeiter André-Raphael Lohoff übergeben. Im Interview mit Wirtschaft aktuell sprechen die beiden über ihren Rollentausch und sie beschreiben ihre gemeinsame Unternehmensphilosophie zwischen Großprojekten und Kleinstaufträgen.

Lehrgang der Mitarbeiter von Elektro Schmidt.
Lehrgang der Mitarbeiter von Elektro Schmidt.

Herr Lohoff, 2017 haben Sie die Elektro Schmidt GmbH von Herrn Schmidt übernommen. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?

André-Raphael Lohoff: Ich habe alles richtig gemacht! Natürlich hatte ich zunächst nur einen vagen Eindruck davon, was es bedeutet, einen solchen Betrieb zu leiten. Da ich aber schon seit meiner Ausbildung im Unternehmen tätig bin, bin ich schnell in die neuen Themen hineingewachsen. Es hat von Anfang an Spaß gemacht!

Herr Schmidt, was hat Sie motiviert, den Weg mit Herrn Lohoff zu gehen?

Jürgen Schmidt: Herr Lohoff hat bei mir zunächst gelernt, dann seinen Elektromeister gemacht und sich schließlich zum Betriebswirt fortbilden lassen. Danach stand für ihn die Frage im Raum, wie und wo er seine berufliche Zukunft plant. Da ich zu diesem Zeitpunkt Ende 40 war und es in der Familie keinen Nachfolger gibt, habe ich das Angebot gemacht, schrittweise Anteile – und im Endeffekt dann auch das gesamte Unternehmen –, an ihn zu übergeben.

Warum haben Sie zugesagt, Herr Lohoff?

Lohoff: Für mich war schnell  klar, dass ich das Angebot annehmen wollte. Das Unternehmen ist sehr gut aufgestellt und eine solche Chance bekommt man nicht zweimal im Leben. Also habe ich mich gern der Herausforderung gestellt.

Wie ging es dann weiter?

Lohoff: Ich habe über einen Zeitraum von acht Jahren immer mehr Verantwortung und gleichzeitig auch Anteile des Unternehmens übernommen. 

Schmidt: Mir war es sehr wichtig, dass das Unternehmen übergeben und nicht übernommen wird. Deshalb auch das mehrstufige Verfahren. So haben wir uns bewusst Zeit gelassen, um zu schauen, ob es wirklich passt.

Aber Sie kannten sich doch schon seit einigen Jahren …

Schmidt: … stimmt. Dennoch war es etwas anderes, weil wir auf einmal nicht mehr Chef und Angestellter, sondern Partner waren. Heute haben sich die Dinge sogar komplett verkehrt: Herr Lohoff ist mein Chef.

Wie haben Sie sich freigeschwommen, Herr Lohoff?

Lohoff: Echte Differenzen gab es nie. Mit der Übergabe der ersten Anteile bin ich praktisch in eine zweite Lehre gegangen. Jürgen Schmidt war mein Privattrainer – fachlich und menschlich. Ein Unternehmen wie unseres kann man nur personenbezogen führen, daher muss der neue Geschäftsführer zu seinem Vorgänger passen. Natürlich sind wir unterschiedliche Charaktere, aber wir haben dieselbe Philosophie.

Inwiefern?

Schmidt: Uns beiden ist die Zufriedenheit des Kunden wichtiger als die nackten Zahlen. Nur wenn die Kunden zufrieden sind, macht es auch Spaß, Umsatz und Rendite zu generieren. 

Lohoff: Das ist die wahre Stärke unseres Unternehmens und daran würde ich – wie Herr Schmidt vor mir – niemals rütteln.

Die Tatsache, dass Herr Schmidt mit am Tisch sitzt, deutet darauf hin, dass Ihr Draht zueinander immer noch gut ist. Wie sieht die Zusammenarbeit heute aus?

Lohoff: Herr Schmidt ist für mich der Joker, den ich immer ziehen kann. Egal, ob es bei technischen Fragen, Baustellenabwicklungen oder bei Personalangelegenheiten ist – wenn ich einen Rat brauche, ist Jürgen Schmidt immer für mich da.

Gibt es Dinge, die Sie anders anpacken als Ihr Vorgänger?

Lohoff: Ich bin vielleicht etwas technischer unterwegs als Herr Schmidt.

Schmidt: Stimmt, er treibt technische Neuerungen wesentlich schneller und konsequenter voran als ich das in den letzten Jahren gemacht habe.

Welche Neuerungen haben Sie eingeführt?

Lohoff: Ein wichtiger Baustein in diesem Zusammenhang ist das Thema Smart Home. Wir haben auf diesem Feld in den vergangenen Jahren viel Know-how erworben und die Nachfrage wächst ständig. Auch hier kommt unsere Unternehmensphilosophie zum Tragen: Wir empfehlen unseren
Kunden Smart-Home-Komponenten nicht aus Selbstzweck, sondern wir schauen gemeinsam, was sinnvoll ist und was vielleicht auch nicht. Wir machen Smart Home mit Augenmaß. Alles andere würde nicht zu uns passen: Wir schwatzen unseren Kunden grundsätzlich nichts auf, was sie nicht benötigen.

Wie ist das Unternehmen heute aufgestellt?

Lohoff: Wir machen alles von der Montage einer Leuchte im Abstellraum bis zum großen Industriebau, den wir komplett mit Blick auf die Elektroinstallation planen, verkabeln und vernetzen. Zudem begleiten wir mit unserer Messtechnik deutschlandweit TÜV-Prüfungen und wir haben ein starkes Standbein im Ladenbau: Für diverse Discounter übernehmen wir Elektroins-tallationen in ihren Filialen in Deutschland, BeneLux und mitunter sogar darüber hinaus.

Schmidt: Obwohl wir wirklich große Projekte machen, freuen wir uns nach wie vor über Kleinstaufträge wie die besagte Lampe im Abstellraum, die Ins-tallation einer Telefon- oder Satellitenanlage und und und. Das ist übrigens der Grund, warum wir nach wie vor einen Einzelhandelsladen in Telgte betreiben. Das nimmt vielen Privatkunden die Hemmschwelle. Oft kommen die Menschen mit ihren Fragen zu uns und wir bieten unsere Hilfe an. Daraus entsteht in vielen Fällen ein Auftrag.

Lassen Sie uns noch einmal auf den Ladenbau zu sprechen kommen. Wie ist dieses Standbein überhaupt zustande gekommen?

Schmidt: In den 1980er Jahren habe ich aufgrund privater Kontakte expandierende Discounter kennengelernt. Diese Unternehmen waren damals noch sehr klein und auf zuverlässige Partner im Handwerk angewiesen. Wir waren so ein Partner und so sind Geschäftsbeziehungen entstanden, die über die Jahre hinweg zu engen Partnerschaften wurden. Aus diesen Unternehmen sind weitere Discounter hervorgegangen, die ebenfalls mit uns zusammenarbeiten wollten, daher wurde das Geschäftsfeld für uns immer größer. Da einige dieser Partner im Laufe der Zeit sehr groß geworden sind, haben wir uns jedoch bewusst dazu entscheiden, auf Exklusivpartnerschaften zu verzichten. Wir wollen Abhängigkeiten vermeiden und unsere Flexibilität erhalten. Aber auch wenn wir diese Kunden nicht mehr zu 100 Prozent bedienen, bleibt genug für uns zu tun.

Wie bringen Sie derartige Großaufträge mit den genannten Kleinstaufträgen unter einen Hut?

Schmidt: Indem wir das innerbetrieblich entsprechend aufgeteilt haben. Wir haben Mitarbeiter, die in erster Linie im Ladenbau im Einsatz sind, Mitarbeiter, die primär die Aufträge im Raum Telgte-Münster bearbeiten und Mitarbeiter, die über den Tag verteilt diverse Kleinstaufträge bearbeiten. Die meisten Kollegen haben ihre Steckenpferde und entsprechend setzen wir sie ein. Dennoch sind alle im Bedarfsfall in der Lage, in anderen Abteilungen einzuspringen, wenn das erforderlich ist. Das hält uns flexibel.

Gibt es für das Unternehmen an sich auch ein bestimmtes Steckenpferd?

Lohoff: Wir arbeiten verdammt gern mit Strom (lacht)! Daher sind für uns alle Aufgabengebiete und alle Kunden vollkommen gleichgewichtig. Wir investieren überall das gleiche Herzblut. Dass sich das bezahlt macht, verdeutlicht ein aktuelles Beispiel: Vor einigen Wochen kam ein Privatkunde zu uns in den Laden, weil er eine elektrotechnische Beratung benötigte. Daraus wurde ein kleiner Auftrag, den wir noch am selben Tag bearbeitet haben. Wenige Tage später bekamen wir dann eine E-Mail. Der Kunde teilte uns darin mit, dass er der Leiter einer größeren sozialen Einrichtung in der Region sei, und er uns auch in diesem Zusammenhang für diverse Arbeiten beauftragen wollte, weil er sehr zufrieden mit unserer Arbeit war. Das zeigt, wie die Dinge oftmals ineinandergreifen.

Wie generieren Sie das erforderliche Know-how?

Lohoff: Indem wir uns und unsere Mitarbeiter ständig weiterbilden. Wir arbeiten sehr eng mit der Industrie und den Herstellern zusammen und wir haben schon so manche Nachtschicht eingelegt, um uns neue Themen und Techniken fundiert anzueignen. Aber das ist unabdingar, um wirklich immer auf dem neuesten Stand zu sein. 

Schmidt: Vor wenigen Wochen haben wir zum Beispiel einen mehrtägigen Messtechnik-Lehrgang für insgesamt 40 Mitarbeiter abgehalten. Dafür haben wir eigens einen Experten nach Telgte geholt, der uns die Themen sehr zielführend und kompakt nähergebracht hat. So etwas kostet viel Geld, aber das ist gut investiert, weil wir uns so zukunftsfähig aufstellen.

Stichwort Mitarbeiter: Wie finden Sie in Zeiten des Fachkräftemangels neue Leute?

Schmidt: Im Wesentlichen durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Unsere Mitarbeiter erzählen in ihrem Bekanntenkreis weiter, dass man bei uns gut arbeiten kann. Wir sind Ausbildungsbetrieb mit aktuell neun Lehrlingen und fast 40 Prozent unserer heutigen Mitarbeiter haben schon bei uns ihre Lehre gemacht. Unsere Mitarbeiter bleiben uns meistens treu und wir auch ihnen.

Warum bleiben Ihnen Ihre Mitarbeiter treu?

Lohoff: Wir betreuen verschiedene, sehr interessante Kunden und wir arbeiten überaus innovativ – das macht einfach Spaß. Hinzu kommt, dass wir ein wirklich tolles Team haben. Die Leute kommen gern zur Arbeit.

Schmidt: In der Summe werden die Mitarbeiter aber auch vom Unternehmen fair und gut behandelt. Wir zahlen ordentlich, bieten alle gängigen Sozialleis-tungen und auch über das Sommerfest und die Weihnachtsfeier hinaus schmeißen wir schon mal am Freitag den Grill an oder trinken ein Bier zusammen, weil wir uns einfach gut verstehen.

Das Interview führte Michael Terhörst

DIE CHRONOLOGIE

1984
Gründung des Unternehmens durch Jürgen Schmidt in einer Garage

1986
Umzug in ein eigenes Gebäude an der Alfred-Krupp-Straße

1999
André-Raphael Lohoff beginnt seine Ausbildung im Unternehmen.

2008
Nach seiner Meisterprüfung ist André-Raphael Lohoff als Bauleiter für das Unternehmen im Einsatz.

2010
Umzug in einen Neubau am Orkotten 60. Das bisherige Gebäude wird bis heute als Werkstatt für den Schalt- und Steuerungsbau verwendet.

2010
André-Raphael Lohoff übernimmt erste Unternehmensanteile.

2012
André-Raphael Lohoff übernimmt weitere Unternehmensanteile und wird Geschäftsführer.

2017
Komplette Übergabe des Unternehmens an André-Raphael Lohoff

Haben Sie Interesse an einer Nachfolge oder möchten Sie Nachfolger werden? Dann klicken Sie sich durch unsere Börse!

Kontakt aufnehmen

Das könnte Sie auch interessieren