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Den Unternehmenswert bestimmen

Die Unternehmensnachfolge ist eine der größten Herausforderungen im Leben von Unternehmerinnen und Unternehmern. Ein zentraler Baustein ist dabei die Ermittlung des Unternehmenswerts, der häufig einen Zielkonflikt zwischen Übergebenden und Übernehmenden darstellt. Insofern ist das Verständnis für einen objektivierten und marktgerechten Unternehmenswert eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Nachfolgelösung.

In der Praxis gibt es verschiedene Bewertungsverfahren, die dabei helfen, eine Bandbreite für den Unternehmenswert zu ermitteln. Thomas Gabbert, Managing Director und Leiter der Bankenbetreuung West der DZ Bank Corporate Finance/VR NachfolgeBeratung, hat bereits zahlreiche Unternehmenstransaktionen begleitet. Er gibt einen ersten Überblick über verschiedene Bewertungsverfahren und erklärt, worauf es bei der Unternehmensbewertung ankommt.
„Ein Unternehmen hat kein Preisschild“, betont Gabbert. Vielmehr hänge der Wert eines Unternehmens von zahlreichen veränderlichen Faktoren ab. Vor allem die Fähigkeit des Unternehmens, in Zukunft nachhaltige Erträge bzw. Cashflows zu erwirtschaften, sei dabei entscheidend. In der M&A-Praxis haben sich bei der Wertermittlung zwei Verfahren durchgesetzt: Das Discounted Cashflow (DCF)/Ertragswertverfahren sowie das Multiplikatorverfahren, wobei beide Bewertungsverfahren ihre Stärken und Schwächen haben.

Porträt von Thomas Gabbert
Thomas Gabbert (Managing Director und Leiter der Bankenbetreuung West der DZ Bank Corporate Finance/VR NachfolgeBeratung) hat bereits zahlreiche Unternehmenstransaktionen begleitet. Foto: DZ Bank

Das Multiplikatorverfahren

Das Multiplikatorverfahren orientiert sich an der Bewertung vergleichbarer Unternehmen oder Unternehmenstransaktionen. Dabei wird der Unternehmenswert auf der Grundlage von bestimmten Unternehmenskennzahlen und Multiplikatoren ermittelt. Sie können abhängig von der Branche und der Größe des Unternehmens variieren. Bei dem Verfahren können verschiedene Unternehmenskennzahlen herangezogen werden – in der Praxis wird aber zum Großteil das Betriebsergebnis (EBIT), gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Abschreibungen (EBITDA), verwendet. 

Den Multiplikator erhält man, indem geprüft wird, zu welchem Unternehmenskennzahlen-Multiplikator vergleichbare Unternehmen verkauft wurden oder an der Börse bewertet sind. Der Durchschnitt bzw. die Multiplikator-Bandbreite dieser Vergleichsgruppen wird dann mit der entsprechenden Unternehmenskennzahl des Unternehmens multipliziert und ggf. noch durch unternehmensgrößenbedingte Abschläge adjustiert. So ergibt sich der Unternehmenswert

Um dann den Eigenkapitalwert – also den Kaufpreis des Unternehmens – zu erhalten, werden die zinstragenden Verbindlichkeiten abgezogen und die nicht betriebsnotwendige Liquidität wieder addiert. „Das Verfahren ist ebenso einfach wie marktnah, zumindest wenn vergleichbare Unternehmen oder Unternehmenstransaktionen bekannt sind“, erläutert der Transaktionsexperte Gabbert. „Gleichzeitig ist aber auch Vorsicht geboten, weil die Vergleichbarkeit der Unternehmen sehr unterschiedlich eingeschätzt werden kann.“ Außerdem sei es bei kleineren Unternehmen oft eine große Herausforderung, die notwendigen Daten zu recherchieren. Insofern ist das Multiplikatorverfahren für eine erste Wertindikation gut geeignet, aber sollte nicht als alleinige Grundlage der Wertermittlung genutzt werden. 

Glasscheibe mit gelbem Schriftzug "Sale"
Ein Unternehmen hat kein Preisschild, betont Thomas Gabbert.

DCF- oder Ertragswertverfahren

In der Beratungspraxis werden daher zusätzlich das DCF- oder das Ertragswertverfahren für Unternehmensbewertungen zugrunde gelegt. Die Verfahren sind wissenschaftlich fundiert und in der Praxis anerkannt. Das Augenmerk liegt dabei auf den zukünftigen Cashflows beziehungsweise den zukünftigen Erträgen des Unternehmens: Denn aus Käufersicht bilden nicht die historischen Zahlen, sondern vor allem das Zukunftspotenzial des Unternehmens seine Wertgrundlage. DCF- oder Ertragswertverfahren bedingen allerdings eine integrierte Finanzplanung eines Unternehmens für einen definierten Zeitraum in der Zukunft. Diese integrierte Finanzplanung ist als geschlossenes System der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) sowie der Bilanz- und Liquiditätsrechnung zu sehen, in dem alle Teile logisch ineinandergreifen. Die daraus ermittelten Cashflows bzw. Erträge werden aufaddiert und auf den festgelegten Bewertungsstichtag wieder abdiskontiert. Diese Bewertungsmodelle sind in der Regel hochkomplex und sollten daher von entsprechenden Spezialisten erstellt werden. Das gilt umso mehr, weil zu berücksichtigende Inputfaktoren wie zum Beispiel die gewichteten Kapitalkosten einen großen Einfluss auf das Ergebnis haben können. Da das DCF- oder das Ertragswertverfahren auf das Unternehmen und seine Zahlen fokussieren, ist die Kombination mit dem Multiplikatorverfahren empfehlenswert. So wird der Bezug zum direkten Marktumfeld ermöglicht.

So oder so lässt sich ein eindeutiger Unternehmenswert nicht festlegen. Aus den Ergebnissen der verschiedenen Verfahren lässt sich vielmehr eine realistische Wertbandbreite ableiten. Sie ermöglicht eine objektivierte und marktorientierte Werteinschätzung, die die Beteiligten ihren eigenen Erwartungen gegenüberstellen können. Transaktionsexperte Gabbert betont an der Stelle: „Der rechnerische Unternehmens- oder Eigenkapitalwert soll als Orientierung dienen. Die Wahrheit aber liegt auf dem Platz und lässt sich abschließend nur ermitteln, wenn man bei potenziellen Investoren in einem professionellen Verfahren das Interesse an einer Übernahme konkret abfragt.“ Wie das konkret aussieht, erläutert Gabbert im Beitrag „Unternehmenstransaktionen – so geht’s“.


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