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Monika Bone

Monika Bone, Übergabe-Coach

Eine Sache des Vertrauens

Wer eine Unternehmensnachfolge antreten möchte, braucht neben Unternehmergeist und finanziellen Mitteln vor allem eins: Vertrauen in der Belegschaft. Wie es Nachfolgerinnen und Nachfolgern gelingt, neue Wege zu gehen und gleichzeitig Loyalität aufzubauen, erklärt Monika Bone im Fussstapfen-Beitrag.

Die Situation im Familienunternehmen

Bei Nachfolgen innerhalb der Familie kennt das Team den angehenden Nachfolger schon oft aus eigener Erfahrung: Der Unternehmer hat zum Beispiel stolz von den Abschlüssen des Kindes erzählt. Oder die Menschen der Region konnten öffentlich verfolgen, wie die Tochter im Sport Erfolg hat oder der Sohn mit musikalischen Talenten glänzt. Manche Nachfolgerinnen und Nachfolger haben schon als Kind die Eltern ins Unternehmen begleitet, sie haben auf dem Schoß von Mitarbeitenden auf die Eltern gewartet oder haben sich in den Ferien mit Gelegenheitsjobs Urlaubsgeld verdient. Es gibt also ein öffentliches Bild des Menschen, der die Nachfolge antreten möchte. Wenn dieser Mensch dann als Erwachsener tatsächlich in die Fußstapfen der Eltern tritt, braucht es das Vertrauen der Belegschaft: Sie müssen den Nachfolgenden als neuen Chef anerkennen und darauf bauen, dass er oder sie die richtigen Entscheidungen trifft.

Die Situation bei einer externen Nachfolge

Bei externen Unternehmensnachfolgen ist die Situation anders: Der neue Unternehmer hat den Betrieb besucht, eingehende Gespräche mit dem Inhaber und dem engsten Führungskreis geführt und die Zahlen unter die Lupe genommen. Erste Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben auch schon stattgefunden. Vielleicht hat die neue Führungskraft auch eine flammende Begrüßungsrede gehalten oder auf einem anderen Weg von sich erzählt. Die Belegschaft hat sich im Netz informiert und sich ein erstes Bild von „dem Neuen“ gemacht. Anders als im Familienunternehmen gibt es hier noch kein öffentliches Bild: Der neue Unternehmer ist eine große Unbekannte. Was sorgt nun dafür, dass das Team Vertrauen in den Nachfolger von außerhalb gewinnt?

Was ist Vertrauen?

Sehen wir uns dazu erst einmal an, was Vertrauen überhaupt ist: „Vertrauen ist etwas, das jeder kennt und jeder schätzt. Man kann es nicht kaufen, man bekommt es geschenkt.“ So beschreibt es Wolfram Schön in seinem Buch „Vertrauen, die Führungsstrategie der Zukunft.“ Für sein Werk hat er Freunde und Geschäftspartner nach ihren Assoziationen zu dem Begriff „Vertrauen“ gefragt und hat unter anderem die folgenden Antworten erhalten:

  •     Urvertrauen
  •     Wahrhaftigkeit und Wahrheit
  •     Wertschätzung
  •     Jemanden gut kennen
  •     Grundlage für gute Zusammenarbeit
  •     Auf Augenhöhe
  •     Erfüllte Erwartungen stärken das Vertrauen

Der Duden definiert Vertrauen als „festes Überzeugtsein von der Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit einer Person, Sache.“

Wie entsteht Vertrauen?

Die sieben Kraftfelder

Der Physiker und Autor Wolfram Schön prägt in seinem Buch den Begriff der „Physik des Vertrauens“. Aus seiner Sicht sind sieben Energien für die Entwicklung von Vertrauen zwischen Menschen besonders bedeutsam. Mir gefällt seine Darstellung der sieben Kraftfelder gut. Ich nutze sie als Ausgangspunkt, um die sieben Kraftfelder in den Kontext der Nachfolge zu übertragen und habe Reflexionsfragen für Nachfolger:innen formuliert. Denn: Vertrauen ist vor allem ein Gefühl.

Grafik zur Physik des Vertrauens
Wolfram Schön beschreibt sieben Energien, die bei der Entwicklung von Vertrauen zwischen Menschen wichtig sind.

1.    Kompetenz schafft Vertrauen

  • Welche fachlichen Kompetenzen bringe ich mit? Wie mache ich sie sichtbar?
  • Was sind meine sozialen Kompetenzen, wie denke ich über Menschen?
  • Gibt es ganz konkrete Werte, die ich sichtbar und spürbar lebe?
  • In welchen Bereichen zeige ich mich als Lernende:r?
Grafik: Darstellung der Kompetenzpyramide
Nachfolgerinnen und Nachfolger sollten sich über ihre eigene Kompetenzpyramide Gedanken machen und überlegen, wie sie ihre Kompetenzen sichtbar machen können.

2.    Ich vertraue mir

Alles beginnt bei mir. Vertrauen beginnt mit Selbst-Vertrauen. Nach Niklas Luhmann (Soziologe) ist das „sich selbst vertrauen können“ eine Voraussetzung für die Bereitschaft, anderen vertrauen zu können. Wie sollen andere mir vertrauen, wenn ich mir selbst nicht vertraue?

  • Machen Sie sich bewusst, an wie vielen Stellen Sie in Ihrem Leben bereits erfahren haben, dass Sie sich vertrauen können. Diese innere Stärke strahlt aus.

3.    Wertschätzung

  • Wie zeige ich den Menschen, mit denen ich arbeite, meine Wertschätzung?
  • Lebe ich ein positives Menschenbild und traue anderen etwas zu?
  • Sehe ich Leistungen und Beiträge und kann sie würdigen?

4.    Interesse

  • Wofür interessiere ich mich? Was interessiert mich an anderen Menschen?
  • Kann ich zuhören, nachfragen und mir Details merken, auf die ich später Bezug nehmen kann?
  • Weiß ich um die persönliche Situation der Menschen, mit denen ich direkt zusammenarbeite?

5.    Information

  • Haben die Menschen, die mit mir arbeiten werden, genügend Information zu der geplanten Übernahme?
  • Kennen sie den Zeitplan und wissen sie, welche Veränderungen vielleicht auf sie zukommen?
  • Was habe ich vielleicht vergessen, zu kommunizieren, was aber für mein Umfeld besonders wichtig ist? Transparenz ist ein Begriff, der in Nachfolgeprozessen immer wieder besonders eingefordert wird.

6.    Respekt

Respekt ist das Fundament für ein wertschätzendes Miteinander. Respekt ist die Grundlage jeder wertschätzenden Kommunikation. Es geht auf der einen Seite um die Achtung der Werte und der persönlichen Grenzen anderer Menschen, auf der anderen Seite geht es um die persönliche Integrität und Berechenbarkeit.

  • Wie gehen Sie mit Unterschieden um?
  • Tun Sie, was Sie sagen?

7.    Erleben

Jede Begegnung, jeder Kontakt, jede E-Mail und jedes Telefonat mit Ihnen sind ein Erlebnis.
Wie erleben die Menschen in Ihrem neuen Unternehmen Sie im Alltag?

  • Gehen oder rennen Sie durch den Betrieb?
  • Schauen Sie nach rechts und links und grüßen Sie?
  • Nehmen Sie sich Zeit für ein kurzes persönliches Gespräch zwischendurch?
  • Lächeln Sie?

Die Entstehung einer wertgeschätzten Rolle ist ohne Vertrauen nicht denkbar.

(Wolfram Schön)


Der persönliche Weg

Unternehmer:innen brauchen Ecken und Kanten. Und Nachfolger:innen haben andere Ecken und Kanten als Vorgänger:innen. Machen Sie sich als Person in Ihrer Rolle sichtbar und arbeiten Sie aktiv daran, dass Ihnen Vertrauen geschenkt wird. Reflektieren Sie sich regelmäßig im Alltag und ergänzen Sie ihr Selbstbild durch Fremdbilder. Bitten Sie um Feedback. Perspektivenwechsel sind eine hilfreiche Methode, mit der wir alle unsere Welt neu wahrnehmen können. Egal, wie jung oder erfahren wir sind. Mein Appell an Sie: „Seien Sie mutig und zeigen Sie sich.“

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