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Rund 60 Teilnehmer kamen zur Veranstaltung "Mut zur Nachfolge"

Julia Schwietering, Redaktion Wirtschaft aktuell

Nachfolge-Expertin: „Nutzen Sie jede Unterstützung“

„Nutzen Sie jede Unterstützung, die Sie erhalten können“ – das legte Professor Birgit Felden, Unternehmensberaterin und Leiterin des Studiengangs Gründung und Nachfolge an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, den rund 100 Teilnehmern der Veranstaltung „Mut zur Nachfolge!“ ans Herz.

In dem Räumlichkeiten des netgo Basecamps in Borken sprach sie vor rund  60 Gästen über die Bausteine, die einen strukturierten Übernahmefahrplan ausmachen. Sie beschrieb typische Hürden und erklärte, wie sie sich überwinden lassen.

Zum Programm der Veranstaltung gehörten außerdem Experten-Workshops zu den Themen Übernahmefinanzierung, Unternehmenswert und zu steuerlichen Aspekten in der Nachfolge sowie eine Podiumsdiskussion mit Best-Practice-Beispielen. So hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, sich umfassend zum Thema Unternehmensnachfolge zu informieren und auszutauschen. Ulrike Wegener, Gründungsberaterin der WFG, betonte: „Wir freuen uns, mit dieser Veranstaltung speziell Unternehmer und potenzielle Nachfolger anzusprechen. Aktuell haben 80 bis 90 Prozent derjenigen, die die Gründungsberatung aufsuchen, eine Neugründung im Blick. Das Thema Nachfolge haben viele nicht auf dem Schirm.“

Keynote von Professor Birgit Felden

Drei Hürden in familiären Übergabeprozessen

Umso schöner sei es, dass viele junge Menschen den Weg ins netgo Basecamp gefunden hatten, freute sich Felden: „Eigentlich ist es eher die ältere Generation, die an solchen Veranstaltungen teilnimmt. Doch für eine erfolgreiche Übergabe braucht es beide Seiten!“ Felden machte klar, dass vor allem drei Hürden immer wieder in familiären Übergabeprozessen auftauchen: Der Erfolg der Eltern, die fehlende unternehmerische Freiheit der Nachfolger und die Frage nach der Entscheidungsfreiheit. „In der familieninternen Nachfolge werden aus Familienmitgliedern plötzlich unternehmerische Partner“, schilderte die Expertin. „Das Problem: Die Logik eines Familienunternehmens ist eine andere als die Logik einer Familie.“ Den große Faktor Emotionalität sollten Eltern und ihre Kinder deshalb nicht unterschätzen. „Wichtig ist auch die Toleranz – sowohl für die abgebende Generation als auch für die Nachfolger“, so Felden.

Gute Vorbereitung ist Muss

Für eine gelungene Übergabe brauche es außerdem einen gut vorbereiteten Senior-Unternehmer. Der Tipp der Professorin: „Übernehmen Sie nach dem Stabwechsel echte unternehmerische Aufgaben. Suchen Sie sich eine Beschäftigung, die Sie auf Dauer reizt und trägt.“ Sich selbst aus dem Tagesgeschäft zurückzuziehen, sei enorm wichtig: „Es gibt Unternehmer, die suchen keinen Nachfolger, sondern einen Denkmalpfleger. Das kann nicht das Ziel einer Übergabe sein.“ Ein Unternehmen muss nach dem Führungswechsel vor allem entscheidungsfähig sein. Felden rät deshalb auch von „50-50-Regelungen“ ab – sollten mehrere Kinder in die Geschäftsführung eintreten, sollte der Unternehmer die Anteile nicht zu gleichen Teilen an seine Kinder weitergeben. „Ansonsten ist Stillstand vorprogrammiert, wenn sich die Kinder nicht einigen können“, weiß Felden aus Erfahrung. Stattdessen könne man ein Veto-Recht für denjenigen einrichten, der weniger Anteile hält.

Professor Birgit Felden im Vortrag
Gab den Teilnehmern wertvolle Tipps zum Übergabeprozess: Professor Birgit Felden (Foto: Schwietering)

Drei Fragen an die übernehmende Generation

Die Expertin für Unternehmensnachfolge rät Nachfolgern außerdem, sich drei Fragen zu stellen:

  1. Was will ich eigentlich?
  2. Was kann ich?
  3. Was darf ich?

Ihr Aufruf: „Reden Sie offen über Ihre Ziele und Vorstellungen. Möchten Sie die Nachfolge wirklich antreten oder handeln Sie nur so, weil es von Ihnen so erwartet wird? Welche fachlichen, persönlichen und unternehmerischen Eigenschaften bräuchte der ideale Nachfolger für dieses Unternehmen? Und welche dieser Eigenschaften bringe ich bereits mit? Gibt es eine gute Verbindung zwischen den Generationen? Kleine Unternehmen sollten außerdem eine Übergangsphase einplanen. Auch in der eigenen Familie sollte sich die Frage stellen: Habe ich Zeit, um ein Unternehmen zu übernehmen? Ist die Familie bereit, auch mal zurückzustecken?“

Die Expertin gab außerdem Tipps zum Übergabekonzept sowie zur Finanzierung. Sie appellierte an die Teilnehmer: „Sterben Sie einmal probeweise!“ Mit dieser provokativen Forderung verdeutlichte sie, wie wichtig Notfallpläne sind, die greifen, wenn der Geschäftsführer kurzfristig ausfällt.

 

Teilnehmer beim Workshop
Viel Input erhielten die Teilnehmer bei den Workshops. (Foto: WFG)

Workshops geben Wissensimpulse

Drei Workshops vermittelten im Anschluss an den Vortrag der Expertin anschaulich Wissen rund um das Thema Nachfolge: Steuerberater Hendrik Bergkemper (Mußenbrock & Partner) erläuterte steuerliche Aspekte der Unternehmensnachfolge. Norbert Kortenjan von der Handwerkskammer Münster erklärte verschiedene Modelle der Wertevermittlung und Reinhard Schulten von der IHK Nord Westfalen informierte gemeinsam mit Tim Deden von der Bürgschaftsbank NRW zum Thema Übernahmefinanzierung mit Sicherheit(en).

Podiumsdiskussion mit Best-Practice-Beispielen

Dass ein erfolgreicher Übernahmeprozess neben Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten von allen Beteiligten vor allem Zeit abverlangt, zeigte sich in der abschließenden Podiumsdiskussion. Die Moderatorin Jeanette Kuhn sprach mit Nachfolge erfahrenen Unternehmerinnen und Unternehmern, Annabel Tenbrink (Tenbrink-Gruppe, Stadtlohn), Rita Bohmert (Brillenmacher Richter, Ahaus), Michael Olthoff (Dachcenter Weseke) sowie mit Frank Sibbing, Münsterland e.V., der das Projekt münsterlandweite „#Youngstarts“ vorstellte. „Auch beim abschließenden Networking zeigte sich, dass wir mit dem Veranstaltungsformat gezielt Nachfolgeinteressierte erreichen konnten“, freut sich Gründungsberaterin Wegener.

Die Go!Akteure aus dem Kreis Borken haben die Veranstaltung organisiert und unterstützt. Dazu gehören die Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen, der Unternehmerverband AIW, die VR-Bank sowie die Sparkasse und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Borken (WFG).

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