

Michael Terhörst, Redaktionsleiter Wirtschaft aktuell
„Es funktioniert. Tagtäglich.“ - das sagen die Nachfolge-Experten
Seit vielen Jahren beraten Experten der IHK Nord Westfalen Unternehmer und potenzielle Nachfolger im Übergabeprozess. In einem dreiteiligen fussstapfen-Exklusivinterview geben Michael Meese und Sven Wolf Einblicke in ihre Erfahrungen und wertvolle Tipps. Im ersten Teil der Interview-Reihe brechen Sie eine Lanze für die Unternehmer – die sich in der Regel nicht zu spät mit dem Thema beschäftigen –, sie berichten über häufig gestellte Fragen und sie erläutern die Vor- und Nachteile einer familieninternen Übergabe.
Herr Meese, Herr Wolf, Sie beide beschäftigen sich seit vielen Jahren bei der IHK Nord Westfalen mit Unternehmensnachfolgen. Was meinen Sie: Wird das Thema von Unternehmerinnen und Unternehmen zu stiefmütterlich behandelt?
Sven Wolf: Das Gefühl haben wir in der Praxis nicht. Wir merken, dass sich Unternehmerinnen und Unternehmer sehr frühzeitig auf den Weg machen und sich mit dem Thema Nachfolge beschäftigen. Das belegen auch die starken Teilnehmerzahlen bei unseren Veranstaltungen: Die Nachfrage ist hoch und viele Unternehmerinnen und Unternehmer wollen die Nachfolge rechtzeitig angehen. Als Außenstehender ist das nicht immer sichtbar, weil Kunden und Geschäftspartner der Unternehmen selbstverständlich nicht merken sollen, dass der Nachfolgeprozess angestoßen wurde. Doch unsere Erfahrung zeigt, dass sich der Großteil der Unternehmer sehr frühzeitig mit dem Thema befasst, sich vorbereitet und die Übergabe schlussendlich erfolgreich gelingt.
Michael Meese: Das kann ich nur bestätigen. Vor rund 20 Jahren, als ich meine Tätigkeit in der Nachfolgeberatung aufgenommen habe, sah das noch ganz anders aus: Inhaber haben sich häufig zu spät mit der Unternehmensnachfolge befasst – für die Nachkriegsgeneration war das Loslassen sehr schwierig. Aber mittlerweile kümmern sich die Unternehmer meist rechtzeitig. Und sie sind jünger, wenn sie das Thema angehen: Aktuell betreue ich knapp 100 Inhaber parallel und die Hälfte meiner Gesprächspartner ist unter 60 Jahre alt. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, wie spät sich die Inhaber noch vor einigen Jahren um die Nachfolge gekümmert haben. Mittlerweile spreche ich sogar mit Unternehmern, die unter 55 sind. Sie machen sich bereits die ersten Gedanken zum Thema Nachfolge. Auch, wenn nach diesen anfänglichen Überlegungen nicht immer unmittelbar Taten folgen, sind das doch die ersten Schritte in die richtige Richtung.
In jedem Fall ist die eigene Nachfolge auch ein emotionaler Prozess. Wie erleben Sie die Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich von Ihnen beraten lassen?
Meese: Der Prozess ist in jedem Fall emotional, aber nicht mehr so emotional wie vor 20 Jahren. Denn für die Nachkriegsgeneration, die die Unternehmen aus Schutt und Asche aufgebaut oder wieder aufgebaut hat, war die Bindung zu ihrem Lebenswerk sicher noch einmal stärker. Insofern ist die Debatte sachlicher als vor vielen Jahren – und das ist gut so. Schließlich lassen sich gute Lösungen nur mit einem klaren Kopf finden. Aber auch heute sehen viele Inhaber ihr Unternehmen als Lebenswerk, deshalb spielen Emotionen immer noch eine enorm große Rolle – das gehört aber auch dazu. Das ist menschlich.

Gibt es in dem Kontext der Nachfolge Fragen, die besonders häufig gestellt werden?
Wolf: Die Herausforderungen und Fragen sind genauso individuell wie die Unternehmer und Betriebe, die zu uns kommen. Wir erleben einen sehr breiten Fragenkanon: Es geht um rechtliche, steuerrechtliche und finanzielle Fragestellungen, aber auch um das Thema Kaufpreis. Auch emotionale Komponenten spielen eine Rolle: In der Familiennachfolge stellt sich zum Beispiel oft die Frage, was passiert, wenn Sohn oder Tochter das Unternehmen nicht weiterführen möchten. Oder wenn das Gegenteil passiert: Die Kinder möchten das Geschäft übernehmen, doch der Inhaber hat Bauchschmerzen dabei. An dieser Stelle ist jeder Nachfolgefall individuell.
Meese: Ich würde diese Frage differenziert betrachten. In der Familiennachfolge kommt häufig die Frage nach der Schrittfolge: Wie gehe ich vor? Die ist auch davon abhängig, in welchem Alter die Kinder sind – manche Kinder sind zum Zeitpunkt der geplanten Übergabe noch sehr jung. Bei der externen Nachfolge taucht in der Regel eine andere wesentliche Frage auf: Wie lerne ich einen potenziellen Nachfolger kennen? Auch die Frage nach dem Unternehmenswert stellt sich häufig.
Was antworten Sie auf diese Fragen?
Meese: Im Fall der Familiennachfolge und der Frage nach der Schrittfolge kommt es darauf an, wie weit die Familie bereits mit den Planungen ist. Steht sie relativ weit am Anfang, holen wir weiter aus und skizzieren den gesamten Prozess. Sind die Verantwortlichen schon weiter fortgeschritten, konzentrieren wir uns auf die wenigen Punkte, die noch abgearbeitet werden müssen, sodass die Familie die Übergabe erfolgreich abschließen kann. In der externen Nachfolge nehme ich die Frage nach dem Unternehmenswert gerne auf, weil ich diesen hier für elementar wichtig halte. Denn: Über den Unternehmenswert streiten sich die Parteien gerne und häufig. Das ist nur natürlich, weil Unternehmer und Nachfolger zwei verschiedene Ansichten vertreten. Geht es um die Suche nach einem externen Nachfolger, kann die IHK mit ihrem Dienstleistungspaket helfen. Ich versuche an dieser Stelle, die Angst davor zu nehmen, keinen geeigneten Nachfolger zu finden – ich bin der Überzeugung, dass es genügend Personen gibt, die dazu bereit sind, eine Nachfolge anzutreten. Aber die Unternehmensnachfolge ist – wie schon gesagt – ein verdeckter Markt: Keiner der Beteiligten geht an die Öffentlichkeit. Es ist also auch ein wenig Glückssache, wo und wann ein Inhaber auf den geeigneten Kandidaten trifft. Doch die Erfahrung zeigt: Es funktioniert. Tagtäglich.

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