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Michael Terhörst, Redaktionsleiter Wirtschaft aktuell

„Es ist das Unternehmergen“

Im letzten Teil der fusstapfen-Interviewreihe mit den Nachfolgeexperten der IHK Nord Westfalen, Michael Mees und Sven Wolf, verraten die beiden, welche Unterstützungsmöglichkeiten es für Unternehmer und Nachfolger gibt, sie erläutern, wer für eine Nachfolge geeignet ist, und warum Berufspessimisten besser die Finger von der Selbstständigkeit lassen sollten.

Herr Meese, Herr Wolf, welche Hilfestellungen gibt es für Unternehmer und potenzielle Nachfolger?

Sven Wolf: Wir bei der IHK gehen in einem Dreiklang vor. Wir wollen sensibilisieren und so dafür sorgen, dass sich Unternehmer möglichst frühzeitig mit dem Thema Nachfolge auseinandersetzen und die notwendigen Schritte gehen. Gleichzeitig haben wir potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger im Blick. Außerdem informieren wir mit unseren Beratungsangeboten, Sprechtagen und Veranstaltungen. Auch im Bereich externe Nachfolge sind wir sehr aktiv: Es gibt den IHK-Nachfolgerclub, einen Pool aus 150 Fach- und Führungskräften, die sich vorstellen können, ein Unternehmen übernehmen. Nimmt ein Inhaber Kontakt zu uns auf, weil er auf der Suche nach einem externen Nachfolger ist, prüfen wir, ob sich im Nachfolgerclub ein passender Kandidat befindet. Daraufhin organisieren wir dann persönliche Gespräche zwischen Inhaber und Nachfolger. Das Angebot ist anonym und die Gespräche sehr vertraulich. Wer Mitglied im Nachfolgerclub werden möchte, spricht uns an und wir führen Auswahlgespräche. In diesen Gesprächen prüfen wir Voraussetzungen wie die berufliche Qualifikation, um herauszufinden, ob der Bewerber das Zeug zum Nachfolger hat. Überzeugt uns der Bewerber, nehmen wir ihn in den Nachfolgerclub auf.

Warum sollten sich denn Fach- und Führungskräfte überhaupt auf diesen eher steinigen Weg der Nachfolge begeben?

Wolf: Ich persönlich glaube, dass diejenigen, die sich auf den Weg begeben, das Unternehmergen mitbringen. Sie wollen selbstständig sein. Und das hat auch seine Vorteile: Ein Unternehmer ist sein eigener Chef, kann seine eigenen Ideen umsetzen und so manches Mal sein Hobby zum Beruf machen. All diese Punkte machen eine Unternehmerkarriere sehr attraktiv, trotz der Risiken.

Michael Meese: Bei einigen Angestellten in der zweiten Führungsebene wächst außerdem der Wunsch, selbst Entscheidungen zu treffen. Sie sind vielleicht nicht immer einverstanden mit den Wegen, die der Chef einschlägt, und wollen selbst die Richtung angeben – und die entsprechenden Früchte ernten. Sie haben eine Vision die sie gern umsetzen würden. Sie trauen sich das Unternehmersein zu und sehen die Chancen, während die Risiken noch greifbar sind. Im Zuge einer Nachfolgeregelung ist das etwas einfacher als bei einer Neugründung: Es gibt ein Unternehmen, das sich betrachten und einordnen lässt. So lassen sich Chancen und Risiken besser einschätzen.

Wolf: Die Unternehmensnachfolge ist außerdem attraktiv für Fach- und Führungskräfte, die bereits einen gewissen Status Quo erreicht haben und nicht bei Null anfangen möchten. Schließlich ist auch die Nachfolge ein Weg der Gründung, denn ein Nachfolger ist in der Regel zum ersten Mal selbstständig – aber sie bietet schon eine Basis mit Mitarbeitern und einem gut laufenden Geschäftsmodell, auf das man aufbauen kann.

Michael Meese im Interview
Im Interview: IHK-Experte Michael Meese

Welche Talente und Eigenschaften muss denn jemand haben, der diesen Weg beschreiten möchte?

Wolf: Er muss wollen. In der Regel sind Nachfolger Macher, die sagen: Ich will jetzt selbstständig sein. Ich habe eine tolle Idee, die ich in meiner Position jetzt nicht umsetzen kann, aber die ich realisieren will. Grundsätzlich gibt es aber nicht die eine Eigenschaft oder das eine Talent, das ein Nachfolger mitbringen muss. Vielmehr ist es das Unternehmergen: Der Wille zur Selbstständigkeit und die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen.

Meese: Ein Nachfolger muss neugierig sein und Entscheidungen treffen können – unter dem Risiko, dass er nicht immer richtigliegt. Unternehmer sind Menschen wie jeder von uns, insofern ist es schwierig, unbedingt notwendige Eigenschaften oder Talente zu benennen. Doch sie haben das gewisse Quäntchen, das schwer beschreibbar ist und das wir – wie gesagt – als Unternehmergen bezeichnen.

Gibt es denn eine Eigenschaft, die ein Unternehmer nicht mitbringen sollte?

Meese: Ja – Berufspessimismus! Berufspessimisten sollten kein Unternehmer werden, denn sie treffen keine Entscheidungen. Sie sehen nur die Risiken, aber nicht die Chancen.

Wolf: Das bringt es gut auf den Punkt. Ein Unternehmer muss Chancen sehen und erkennen und sie dann ergreifen und umsetzen. Wer immer nur das Risiko sieht, wird es sehr schwer haben, ein Unternehmen zu führen und es auf Dauer zu erhalten.

Sven Wolf
Im Interview: IHK-Experte Sven Wolf

Lassen Sie uns noch einmal über den Kaufpreis sprechen. Gibt es einen Richtwert für Nachfolger, was das Thema Eigenkapital angeht?

Meese: Eine konkrete Hausnummer gibt es nicht. Wichtiger als die exakte Summe ist die Bereitschaft, das Risiko einer vollständigen persönlichen Haftung einzugehen und die Hosen herunterzulassen.

Wolf: In NRW gibt es sehr gute Förderstrukturen, die Nachfolger unterstützen – zum Beispiel die NRW-Bank und die Bürgschaftsbank NRW. Möchte ein Nachfolger ein wirtschaftlich attraktives Unternehmen übernehmen, finden sich mithilfe dieser beiden Institutionen fast immer Mittel und Wege, um die Finanzierung sicherzustellen – wenn der Kaufpreis realistisch ist.

Meese: Natürlich erleichtert es die Verhandlungsgespräche, wenn der Nachfolger viel Eigenkapital mitbringt. Hat ein Unternehmer die Wahl zwischen zwei völlig gleich qualifizierten Personen, die eine mit mehr, die andere mit weniger Eigenkapital, wird er sich für die Person mit mehr Eigenkapital entscheiden. Viele Inhaber fragen mich vor Beginn eines persönlichen Gesprächs mit einem Interessenten, ob der sich die Übernahme überhaupt leisten kann. Wichtig ist, dass das Thema auf den Tisch kommt und der Nachfolger die Hosen herunterlässt – auch, um das Risiko der Nachfolge besser einschätzen zu können.

Erkennen Sie im Anfangsstadium – sowohl bei den Nachfolgern als auch bei den Unternehmern – ob die Übergabe gelingen wird oder nicht?

Meese: Wir bringen viele Unternehmer und Nachfolger zusammen und sind auch beim ersten Gespräch zwischen den beiden dabei. Ich würde aber nie behaupten, dass ich dann schon weiß, ob die Übergabe funktionieren wird oder nicht. Am Ende treffen wir diese Entscheidung aus dem Bauch heraus und vertrauen auf unsere Erfahrung und unser Know-how. Oft liegen wir damit richtig. Doch wir alle können die Zukunft nicht beeinflussen, deshalb sollte man mit Prognosen immer sehr vorsichtig sein.

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