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Julia Schwietering, Redaktion Wirtschaft aktuell

„Die Serviceorientierung ist noch nicht angekommen“

Im dritten und letzten Teil unserer Interview-Reihe mit Dr. Klaus Harnack, Psychologe und Mediator, steht die Nachfolge innerhalb der Familie im Fokus. Außerdem verrät Harnack, warum es vielen Menschen immer noch schwer fällt, in der Beratung einen Psychologen hinzuzuziehen.

Laut aktuellen Zahlen der KfW streben immer mehr Inhaber eine externe Übergabe statt eine familieninterne Übergabe an. Beobachten Sie diesen Trend ebenfalls?

Nicht wirklich. Die zweite Generation ist manchmal mäßig daran interessiert, das Unternehmen fortzuführen, weil Unternehmer sein mit viel Arbeit verbunden ist. Doch die Familien selbst haben schon noch das Bedürfnis, die Nachfolge intern zu regeln. Vor allem, wenn das Unternehmen schon lange in Familienhand ist – dann gibt es einen höheren Wert jenseits des Geldes. Es ist das eigene Schaffen, dass weitergegeben werden soll. Einen wirklichen Trend zu externen Übergaben erkenne ich zurzeit nicht. Trend ist, dass es viele Übergaben gibt und es immer noch Tabu ist, offen über die Nachfolge zu sprechen. Außerdem sehen die Betroffenen das Problem aufgrund der psychologischen Ferne sehr abstrakt und unterschätzen es. Daher glaube ich, dass der Bedarf nach externer Beratung groß ist. Doch der Markt ist unübersichtlich, weil es keine zertifizierten Berater in diesem Sinne gibt. Fast alles läuft über Empfehlungsmanagement.

Wie bringt ein Vater seinen Kindern bei, ihnen das Unternehmen nicht anzuvertrauen, wenn er sie nicht in der Rolle des Nachfolgers sieht?

Ich glaube, an dieser Stelle läuft viel über implizite (Anm. d. Red.: nicht direkt ausgesprochene) Erwartung. Diese Erwartungen schwellen lange und dann ist die Frage, ob sie zur Sprache gebracht werden oder nicht. Aber wenn die Kinder sich selbst nicht als qualifizierten Nachfolger sehen, glaube ich nicht, dass sie das Unternehmen übernehmen wollen. Ich kenne keinen Fall, bei dem eines der Kinder Interesse gezeigt hat und sich der Vater oder die Mutter trotzdem gegen sie entschieden haben. Über die Frage nach einer Qualifizierung lässt sich außerdem streiten: Es gibt mit Sicherheit Skills, die für einen Geschäftsführer nützlich sind und solche, die hinderlich sind. Aber eine echte Qualifizierung gibt es nicht.

Nicht wenige Familien haben sich während des Nachfolgeprozesses aufgrund von Uneinigkeiten stark zerstritten. Wieso kann eine Familie, die doch eigentlich stark verbunden ist, an einem solchen Prozess auseinanderbrechen?

In Familienunternehmen kommt alles zusammen, weil man auf mehreren Ebenen miteinander spricht. Oft liegt der eigentliche Kern des Konflikts nicht in den offensichtlichen Dingen, sondern auf einer tieferen Ebene. Ich erinnere mich gut an einen Fall, bei dem sich Vater und Sohn zerstritten hatten und ich als externer Berater eingeschaltet wurde. Es gab mehrere Sitzungen und wir haben über verschiedene Probleme, die das Unternehmen betroffen haben, geredet – bis der Sohn irgendwann sagte: Ich wurde nie richtig geliebt. Und in diesem Moment war der Knoten durchschlagen, Vater und Sohn lagen sich weinend in den Armen und sie haben es geschafft, das Familienunternehmen erfolgreich weiterzuführen. Die Aufgabe der externen Berater ist es, über das Zuhören, das Nachfragen und das Spiegeln der Gesprächspartner eine Hypothese zum eigentlichen Problem zu entwickeln. Dieses Problem müssen die Betroffenen aber selbst entdecken und aussprechen. Nur das, was sie selbst sagen, glauben sie auch irgendwann. Und das ist die Kunst für einen guten Berater: Die Beteiligten auf den Weg zu bringen, ihr Problem zu erkennen. Als Externer muss man außerdem bereit sein, unterschiedliche Varianten ins Auge zu fassen. Das kann schwierig sein, wenn man sich selbst erstmal auf eine Hypothese festgelegt hat, von der man glaubt, sie ist die Wahrheit.

Wie lassen sich Konflikte innerhalb der Familie vermeiden, wenn es um die Nachfolge geht?

Darüber reden. Es braucht eine aktive Gesprächskultur. Für viele ist es immer noch ein Manko, wenn sie sich eine dritte Person ins Boot holen oder einen Psychologen zu Rate ziehen. Denn viele verbinden mit dem Begriff erstmal die klinische Psychologie, nicht die Arbeits- oder Sozialpsychologie. Langsam verbessert sich die Wahrnehmung, aber die Fortschritte sind gering. Andere Nationen sind uns da weit voraus: In den Niederlanden oder in Amerika zum Beispiel ist es viel selbstverständlicher, sich psychologische Unterstützung zu holen. Mediation wird in Deutschland immer noch als Schwäche gesehen. Wir haben ohnehin eine sehr geschlossene Konfliktkultur. Wenn sich Menschen offen streiten, zum Beispiel auf der Straße, heißt es schnell: Das macht man nicht. Konflikte hat man leise und intern zu lösen. Dieses Phänomen zeigt sich auch in unseren Gewerkschaften: Während Tarifverhandlungen sitzen beide Parteien in einem geschlossenen Raum miteinander und es gibt selten einen Dritten, der vermittelt. Da bedarf es eines Kulturwandels. Will ich mir ein neues Geländer bauen, hole ich mir selbstverständlich einen guten Schlosser dazu, weil er besser Geländer bauen kann als ich. Das muss auch bei Übergabeprozessen beziehungsweise Konflikten allgemein gelten. Aber im Bereich Mediation ist diese Serviceorientierung noch nicht angekommen. Meiner Meinung nach liegt das an der schlechten Vermarktung in Deutschland. Niemand traut sich wirklich, ein echtes Business in diesem Bereich aufzubauen, obwohl es dort großes Potenzial gibt. Weil diese Beratung nicht professionalisiert ist, fehlen die Ansprechkanäle und die Vermittlung läuft über das Empfehlungsmanagement. Das löst wiederum eine Unsicherheit bei denjenigen aus, die Beratung suchen. Ich denke, es gibt in diesem Bereich noch einiges zu tun. Danke für das Gespräch!

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